27.01.22

Auszeichnung

Hilde Beck aus Esslingen wurde mit dem Kronenkreuz der Diakonie in Gold ausgezeichnet.

Hilde Beck mit Kronenkreuz und Urkunde

Pfarrerin Susanna Worbes ehrt Hilde Beck

Das Team um Hilde Beck

Das Ehrenamt liegt Hilde Beck im Blut: Sie hat in der evangelischen Kirchengemeinde in Esslingen-St. Bernhardt den Kirchenchor und den Kinderchor geleitet, spielt bis heute die Orgel in Gottesdiensten, gründete den Orgelförderverein, liest Korrektur für den Gemeindebrief und gehörte 30 Jahre lang dem Kirchengemeinderat an. Vor allem aber hat Hilde Beck ihre Spuren in der Flüchtlingsarbeit hinterlassen, als sie 1992 die Kleiderkammer einrichtete, die sie bis heute mit einem Team von Frauen in der Rennstraße organisiert. Für dieses vielfältige ehrenamtliche Engagement ist die 80-Jährige jetzt mit dem Kronenkreuz der Diakonie in Gold ausgezeichnet worden.

Dabei lief es anfangs nicht nach Plan für die junge Hilde. Die Oberschule musste sie vor dem Abitur verlassen. An ein Musikstudium war als Kind aus einer armen Familie auf der Ostalb nicht zu denken. So wurde sie zunächst Herbergshelferin bei ihren Eltern, die eine Jugendherberge betrieben. Danach folgte eine Ausbildung zur Erzieherin, die sie wegen eines vermeintlichen Diabetes jedoch abbrechen musste. Also lernte sie Damenschneiderin. „Nach meiner Heirat ging es los mit dem Ehrenamt“, erzählt Hilde Beck. Mit der Musik habe es angefangen. Schon während der Ausbildung zur Erzieherin hatte sie Orgelunterricht bekommen. Später spielte sie vielfach Orgel im Gottesdienst und in St. Bernhardt war sie sogar angestellte Organistin. Damit verwirklichte sie einen Traum, den sie sich als junge Frau nicht erfüllen konnte.

In St. Bernhardt leitete die Mutter zweier inzwischen erwachsener Kinder ab 1976 30 Jahre lang den Kinderchor. Für die jungen Sängerinnen und Sänger schrieb sie Theaterstücke zum Gemeindefest und jährlich ein Krippenspiel mit Musik, die die Kinder selbst aufführen konnten. Für den Kinderchor organisierte sie zudem Orff’sche Instrumente, die die Gemeinde nichts kosteten. Von 1985 bis 2006 hatte sie die Leitung des evangelischen Kirchenchors inne. Bis vor einem Jahr sang sie selbst noch im Chor, inzwischen macht die Stimme nicht mehr mit. Bis heute setzt sich Hilde Beck immer wieder an die Orgel, um nicht nur in der Evangelischen Kirchengemeinde St. Bernhardt zum Hohenkreuz Gottesdienste zu begleiten. Fehlt irgendwo im Evangelischen Kirchenbezirk ein Organist, springt Beck ein. „Ich bin ein Notnagel des Dekanats“, lacht sie.

Im Jahr 2000 war sie Mitbegründerin des Orgelfördervereins, den sie leitete, bis die neue Orgel in der St. Bernhardt-Kirche stand und finanziert war. Dazu organisierte sie zahlreiche hochkarätige Konzerte.

Von 1977 bis 2007 war Hilde Beck Mitglied im Kirchengemeinderat. Unter anderem fiel in diese Zeit die Bauplanung für das Gemeindezentrum im Hainbachtal. Für das neue Haus konnte sie mit Hilfe von Spendern einen Flügel kaufen und für die beiden Gemeindehäuser Klaviere anschaffen. Auch ihr Können als Schneiderin kam in der Kirchengemeinde immer wieder zum Tragen – sei es bei Altar- und Taufsteindecken, Tischtüchern fürs Gemeindezentrum oder einem Kälteschutzvorhang in der St. Bernhardt-Kirche.

Aus der Arbeit im Kirchengemeinderat heraus entstand vor rund 30 Jahren auch Hilde Becks größtes Ehrenamts-Projekt. Als in der Funkerkaserne Anfang der 1990er Jahre mehr als 600 Geflüchtete vor allem aus dem ehemaligen Jugoslawien einquartiert wurden, merkte sie rasch, dass es vor allem an Bekleidung fehlte. Und so fing sie an, in der Kirchengemeinde um Kleiderspenden zu bitten, die sie gemeinsam mit anderen Frauen ausbesserte oder passend machte. Daraus entstand die Kleiderkammer, zunächst in der Funkerkaserne selbst, später in der Rennstraße, wo ein Team von sechs Frauen bis heute den Laden schmeißt. Längst sind sie Freundinnen geworden. Hilde Beck ist vor allem für alles Organisatorische zuständig und knüpft ständig an einem großen Netzwerk. Wichtig ist ihr der Umgang auf Augenhöhe. Dazu gehöre auch, dass nur gute Waren weitergegeben werden. „Am liebsten nur solche, die wir selber noch tragen würden.“ Dass dies nicht jeder so sieht, zeigen Fotos, die zerrissene oder verschmutzte Wäsche und kaputte oder verdreckte Schuhe zeigen. Doch was nicht verwendet werden kann, landet bei einer fairen Verwertung. „Wir haben so viel mehr als wir brauchen, deshalb können wir gut etwas abgeben“, ist Hilde Beck überzeugt.

Dass sie sich so vielfältig ehrenamtlich engagierte, habe sich einfach ergeben. Anfangs habe sie nur schwer Nein sagen können. „Das habe ich inzwischen gelernt.“ Hilde Beck zeichnet ein großes Durchhaltevermögen aus. „Ziele lasse ich nicht leicht fallen“, sagt sie. Durch ihren ehrenamtlichen Einsatz habe sie viel gelernt. „Ich wurde mutig und kann mich heute freundlich durchsetzen – etwa einem Flüchtling mit überhöhten Ansprüchen gegenüber.“ Andererseits habe sie die Flüchtlingsarbeit kritischer aber auch dankbarer gemacht. „Es ist nicht selbstverständlich, wie wir leben. Wir sind durch unseren Lebensstil zum Teil verantwortlich dafür, dass es anderen schlecht geht.“

Ihr Glaube gibt ihr Halt und trägt sie auch im Ehrenamt. Ein kleines goldenes Kreuz um den Hals trage sie um zu zeigen, „aus welchem Geist heraus ich meine Arbeit mache“. Niemals käme sie jedoch auf die Idee, etwa einen Muslim missionieren zu wollen, betont Hilde Beck.
Die Auszeichnung mit dem goldenen Kronenkreuz sieht sie als Wertschätzung. „Man bemerkt unsere Arbeit. Aber klar ist auch, dass ich das nie alleine machen könnte.“ Eines jedenfalls ist für Hilde Beck sicher: „Solange Kopf und Körper mitmachen, mache ich weiter.“